Ohne einen echten Plan zu haben bin ich in Bangkok aus dem
Flieger gestiegen. Ich wusste nur, dass ich am 10. September in Singapur sein
müsste, um meinen Flug zu erwischen. Da ich mich bemühe ehrlich mit mir zu
sein, steht wenigstens eine Sache fest: Ich brauche einen Puffer! Ich nehme mir
also vor, drei bis vier Tage vor dem Abflug in Singapur anzukommen. Auf Koh Phangnan verstreichen die Nächte
zügiger als angenommen. Als ich am 5. September mit der Fähre in Richtung des
Bahnhofes in Surat Thani aufbreche –
die nächste größere Stadt auf dem Festland – verspüre ich bereits das
unbehagliche Gefühl spät dran zu sein. Mit einem Bus fahre ich in die Stadt und
muss umsteigen, in eins dieser Sammeltaxis. Nach einer äußerst rasanten Fahrt
mit merkwürdigen Zwischenstopps, komme ich nach deutlich mehr als drei Stunden
endlich am Bahnhof an. Ein junger Engländer, dessen Freundin die Fahrt
sichtlich unentspannt über sich ergehen ließ, staucht den Fahrer nun erst
einmal ordentlich zusammen. Der versteht natürlich kein Wort und wuchtet
schlechten Gewissens meinen Rucksack aus dem Taxi. Vom Bahnhof in Surat Thani fährt ein Nachtzug nach Hat Yai – die nächste größere Stadt
nahe der malaysischen Grenze. Allerdings scheinen die Verantwortlichen der
Thailändischen Bahn mit meinen Plänen nicht ganz einverstanden und durchkreuzen
meinen Zug auf dem wiederbeschreibbaren Clipboard, das hier die Anzeigetafel
mimt. Statt auf den Gleisen rollend, verbringe ich meine Nacht also liegend
daneben. Ich bin allerdings nicht alleine, sondern in guter Gesellschaft eines
Franzosen, der merkwürdigerweise länger als geplant in Eden hängen geblieben ist.
Er sieht aus, wie eine Mischung aus Robert Pattinson in „Remember Me“ und dem
Typen aus „Into the Wild“. Seine verdreckte Jeans, das Holzfällerhemd und die
von einem Einheimischen geschnorrte Kippe im Mund passen da Perfekt ins Bild.
Wegen der transporttechnischen Unannehmlichkeiten wird der junge Mann seinen
Flug von Singapur verpassen. Da sein Thailändisches Visum übermorgen abläuft,
beschließt er kurzerhand, mit dem Zug über die malaysische Grenze zu fahren und
anschließend erneut in Thailand einzureisen, um weitere 15 Tage zu bekommen.
Natürlich möchte er wieder zurück nach Eden. Obwohl ich beinahe 48 Stunden jede
Minute mit ihm verbringe, werde ich am Ende nicht mal seinen Namen kennen –
irgendwie geheimnisvoll. Quasi als Ersatz fährt am nächsten Morgen ein
außerplanmäßiger Ersatzzug, für den wir 50 Cent bezahlen. Während der
fünfstündigen Fahrt bin ich ein wenig verblüfft, als immer wieder Leute durch
den Zug laufen, um ihr Streetfood zu verkaufen. Anscheinend steigen sie einfach
in den Zug ein, laufen ein paar Mal auf und ab und steigen nach wenigen
Stationen wieder aus.

In
Hat Yai
nehmen der Franzose und ich denselben Zug. Ich kaufe mir ein Ticket bis
Kuala Lumpur und er bis zur Grenze in
Padang Besar. Am Bahnhof in
Padang Besar müssen alle Passagiere
aussteigen, um durch die malaysischen Sicherheitskontrollen zu gehen und sich
einen Einreisestempel in ihrem Pass abzuholen. Ich krame also all meine Sachen
zusammen und bewege mich durch die rucksackfeindliche Zugtür. Aus meiner
Bauchtasche zücke ich meinen Impfausweis hervor und klatsche ihn mir vor
Verzweiflung gegen die Stirn. Ich habe meinen Reisepass im Hostel auf
Koh Phangan(!!!) vergessen. Erst langsam
wird mir bewusst, dass ich bereits aus Thailand ausgereist bin und mich im
Niemansland befinde. Ich stecke also fest, im Nichts, zwischen zwei Grenzen,
ohne Pass. Schei…! Jetzt können mich nur noch Charme und geschickte Rhetorik
wieder zurück nach Thailand bringen, um meinen Pass von der 45
0km entfernten
Insel zu holen. Und zwar schnell. Schließlich muss ich meinen Flug in Singapur
noch erwischen. Charme und gute Rhetorik fürn Arsch! Das einzige was die
multilingualen Grenzarbeiter von meiner wohlüberlegten Erklärung verstehen ist
„NO PASSPORT“. „NO PASSPORT?!“ wiederholt der Typ und starrt mich mit großen
Augen an. Ich meine, selbst der Franzose hat verstanden, was passiert war! Auch
die freundlichen Männer in Uniformen an der Autogrenze sind mit der Situation
offenbar leicht überfordert. „BOSS BOSS!“ versucht einer der Herren mich wild
gestikulierend loszuwerden. Etwas verwirrt folge ich seinem Fingerzeig und
finde mich auf der Straßenseite wieder, an der die Autofahrer gerade von
Thailand nach Malaysia einreisen möchten. Eigentlich war ich ja nie in
Malaysia. Jedenfalls nicht auf bzw. mit meinem Pass. Ganz unauffällig schaue
ich mich um und marschiere möglichst entspannt vom Grenzgebiet. Puh, wäre das
auch geschafft. Jetzt muss ich nur noch schleunigst wieder zurück nach Koh Phangan.
Immer noch mit dem Franzosen an meiner Seite, versuchen wir herauszubekommen,
wie wir wieder zurück nach
Hat Yai
gelangen können. Leider sind die Einwohner der winzigen Grenzstadt des
Englischen gänzlich ohnmächtig. Nach heiterem Hin und Her frage ich einen
jungen Truckdriver, der gerade losfahren möchte höflich, ob er nach
Hat Yai fahre und uns mitnehmen könnte.
„
Hat Yaaaai???“
erwidert dieser verständnisvoll. „
Hat Yai Hat Yaaai!!!“
bringe
ich ihm bestätigend entgegen. Offenbar verstehen wir uns prächtig. Also steigen
der Franzose und ich ein. Mit einem Freund des Fahrers und, allem Anschein nach,
dessen kleinen Bruders hocken wir zur fünft, samt Gepäck, in der winzigen
Fahrerkabine. Die Sonne senkt sich bereits hinter den Horizont und trotz meiner
misslichen Lage kann ich mir ein Lächeln einfach nicht verkneifen. Wir trampen
mit einem thailändischen Lastwagen der Hoffnung entgegen, in
Hat Yai noch irgendein
Fortbewegungsmittel in Richtung Norden zu erwischen. Was für eine Erfahrung!
Irgendwo an einer Hauptstraße in
Hat Yai lässt uns der Truckdriver aussteigen
und gibt uns den höflichen Tipp, mit dem Taxi weiterzufahren. Noch immer wissen
wir nicht, ob wir zum Bahnhof oder zur Busstation fahren sollten. Eher zufällig
landen wir schließlich gegen 20 Uhr an der Busstation und dürfen feststellen,
dass noch heute Abend ein Bus in Richtung Koh Phangnan aufbrechen wird. Da der
Bus leider bereits voll ist, ergattern wir auf der siebenstündigen Nachtfahrt
lediglich einen Stehplatz, der sogar auf dem Ticket als solcher angeführt wird.
Mir ist das egal, denn ich bin überglücklich, schon morgen wieder nach
Hat Yai aufbrechen zu können.
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