Mittwoch, 25. September 2013

Ohne einen echten Plan...




Ohne einen echten Plan zu haben bin ich in Bangkok aus dem Flieger gestiegen. Ich wusste nur, dass ich am 10. September in Singapur sein müsste, um meinen Flug zu erwischen. Da ich mich bemühe ehrlich mit mir zu sein, steht wenigstens eine Sache fest: Ich brauche einen Puffer! Ich nehme mir also vor, drei bis vier Tage vor dem Abflug in Singapur anzukommen. Auf Koh Phangnan verstreichen die Nächte zügiger als angenommen. Als ich am 5. September mit der Fähre in Richtung des Bahnhofes in Surat Thani aufbreche – die nächste größere Stadt auf dem Festland – verspüre ich bereits das unbehagliche Gefühl spät dran zu sein. Mit einem Bus fahre ich in die Stadt und muss umsteigen, in eins dieser Sammeltaxis. Nach einer äußerst rasanten Fahrt mit merkwürdigen Zwischenstopps, komme ich nach deutlich mehr als drei Stunden endlich am Bahnhof an. Ein junger Engländer, dessen Freundin die Fahrt sichtlich unentspannt über sich ergehen ließ, staucht den Fahrer nun erst einmal ordentlich zusammen. Der versteht natürlich kein Wort und wuchtet schlechten Gewissens meinen Rucksack aus dem Taxi. Vom Bahnhof in Surat Thani fährt ein Nachtzug nach Hat Yai – die nächste größere Stadt nahe der malaysischen Grenze. Allerdings scheinen die Verantwortlichen der Thailändischen Bahn mit meinen Plänen nicht ganz einverstanden und durchkreuzen meinen Zug auf dem wiederbeschreibbaren Clipboard, das hier die Anzeigetafel mimt. Statt auf den Gleisen rollend, verbringe ich meine Nacht also liegend daneben. Ich bin allerdings nicht alleine, sondern in guter Gesellschaft eines Franzosen, der merkwürdigerweise länger als geplant in Eden hängen geblieben ist. Er sieht aus, wie eine Mischung aus Robert Pattinson in „Remember Me“ und dem Typen aus „Into the Wild“. Seine verdreckte Jeans, das Holzfällerhemd und die von einem Einheimischen geschnorrte Kippe im Mund passen da Perfekt ins Bild. Wegen der transporttechnischen Unannehmlichkeiten wird der junge Mann seinen Flug von Singapur verpassen. Da sein Thailändisches Visum übermorgen abläuft, beschließt er kurzerhand, mit dem Zug über die malaysische Grenze zu fahren und anschließend erneut in Thailand einzureisen, um weitere 15 Tage zu bekommen. Natürlich möchte er wieder zurück nach Eden. Obwohl ich beinahe 48 Stunden jede Minute mit ihm verbringe, werde ich am Ende nicht mal seinen Namen kennen – irgendwie geheimnisvoll. Quasi als Ersatz fährt am nächsten Morgen ein außerplanmäßiger Ersatzzug, für den wir 50 Cent bezahlen. Während der fünfstündigen Fahrt bin ich ein wenig verblüfft, als immer wieder Leute durch den Zug laufen, um ihr Streetfood zu verkaufen. Anscheinend steigen sie einfach in den Zug ein, laufen ein paar Mal auf und ab und steigen nach wenigen Stationen wieder aus.

In Hat Yai nehmen der Franzose und ich denselben Zug. Ich kaufe mir ein Ticket bis Kuala Lumpur und er bis zur Grenze in Padang Besar. Am Bahnhof in Padang Besar müssen alle Passagiere aussteigen, um durch die malaysischen Sicherheitskontrollen zu gehen und sich einen Einreisestempel in ihrem Pass abzuholen. Ich krame also all meine Sachen zusammen und bewege mich durch die rucksackfeindliche Zugtür. Aus meiner Bauchtasche zücke ich meinen Impfausweis hervor und klatsche ihn mir vor Verzweiflung gegen die Stirn. Ich habe meinen Reisepass im Hostel auf Koh Phangan(!!!) vergessen. Erst langsam wird mir bewusst, dass ich bereits aus Thailand ausgereist bin und mich im Niemansland befinde. Ich stecke also fest, im Nichts, zwischen zwei Grenzen, ohne Pass. Schei…! Jetzt können mich nur noch Charme und geschickte Rhetorik wieder zurück nach Thailand bringen, um meinen Pass von der 450km entfernten Insel zu holen. Und zwar schnell. Schließlich muss ich meinen Flug in Singapur noch erwischen. Charme und gute Rhetorik fürn Arsch! Das einzige was die multilingualen Grenzarbeiter von meiner wohlüberlegten Erklärung verstehen ist „NO PASSPORT“. „NO PASSPORT?!“ wiederholt der Typ und starrt mich mit großen Augen an. Ich meine, selbst der Franzose hat verstanden, was passiert war! Auch die freundlichen Männer in Uniformen an der Autogrenze sind mit der Situation offenbar leicht überfordert. „BOSS BOSS!“ versucht einer der Herren mich wild gestikulierend loszuwerden. Etwas verwirrt folge ich seinem Fingerzeig und finde mich auf der Straßenseite wieder, an der die Autofahrer gerade von Thailand nach Malaysia einreisen möchten. Eigentlich war ich ja nie in Malaysia. Jedenfalls nicht auf bzw. mit meinem Pass. Ganz unauffällig schaue ich mich um und marschiere möglichst entspannt vom Grenzgebiet. Puh, wäre das auch geschafft. Jetzt muss ich nur noch schleunigst wieder zurück nach Koh Phangan. Immer noch mit dem Franzosen an meiner Seite, versuchen wir herauszubekommen, wie wir wieder zurück nach Hat Yai gelangen können. Leider sind die Einwohner der winzigen Grenzstadt des Englischen gänzlich ohnmächtig. Nach heiterem Hin und Her frage ich einen jungen Truckdriver, der gerade losfahren möchte höflich, ob er nach Hat Yai fahre und uns mitnehmen könnte. „Hat Yaaaai??? erwidert dieser verständnisvoll. „Hat Yai Hat Yaaai!!! bringe ich ihm bestätigend entgegen. Offenbar verstehen wir uns prächtig. Also steigen der Franzose und ich ein. Mit einem Freund des Fahrers und, allem Anschein nach, dessen kleinen Bruders hocken wir zur fünft, samt Gepäck, in der winzigen Fahrerkabine. Die Sonne senkt sich bereits hinter den Horizont und trotz meiner misslichen Lage kann ich mir ein Lächeln einfach nicht verkneifen. Wir trampen mit einem thailändischen Lastwagen der Hoffnung entgegen, in Hat Yai noch irgendein Fortbewegungsmittel in Richtung Norden zu erwischen. Was für eine Erfahrung! Irgendwo an einer Hauptstraße in Hat Yai lässt uns der Truckdriver aussteigen und gibt uns den höflichen Tipp, mit dem Taxi weiterzufahren. Noch immer wissen wir nicht, ob wir zum Bahnhof oder zur Busstation fahren sollten. Eher zufällig landen wir schließlich gegen 20 Uhr an der Busstation und dürfen feststellen, dass noch heute Abend ein Bus in Richtung Koh Phangnan aufbrechen wird. Da der Bus leider bereits voll ist, ergattern wir auf der siebenstündigen Nachtfahrt lediglich einen Stehplatz, der sogar auf dem Ticket als solcher angeführt wird. Mir ist das egal, denn ich bin überglücklich, schon morgen wieder nach Hat Yai aufbrechen zu können. 


Mittwoch, 18. September 2013

Dienstag, 3. Spetember 2013


Koh Phangan


Um zwölf Uhr morgens beende ich den Test meiner Augenlider auf Lichtundurchlässigkeit. Es hat den Anschein, als hätte ich recht gut  genächtigt. Mit leichtem Sodbrennen nehme ich mir vor, den Strand Haad Rins einmal bei Tageslicht zu betrachten. Trubel habe ich erwartet. Was ich vorfinde ist jedoch ein schattiges Plätzchen unter einer Palme, begleitet von den sonnigen Gitarrenklängen Jack Johnsons. Möglicherweise dauert es auch deshalb eine halbe Stunde, bis ich vom Wasser aus bemerke, dass es sich wirklich um denselben Strand handelt, an dem ich mich vor weniger als zwölf Stunden unter einer in Flammen lodernden Limbo-Stange hindurchmanövrierte. Das Wasser ist himmlisch. Im flachen Nass döse ich vor mich hin. Angetan von der Atmosphäre um mich herum, finde unglaubliche Entspannung. Ich spreche zwei hübsche Französinnen an, deren Bikinis mir gefallen. Es ist offensichtlich, dass sie in Bangkok gewesen sein müssen, denn dort wimmelt es geradezu vor Stoffen, mit diesen unverwechselbaren Hippie-Mustern, die ihre Zweiteiler zieren. 


Auf dem Rückweg mache ich halt am Coral Bungalow Club, der für den heutigen Abend mit einer Pool-Party lockt. Da die Sonne dem orange schimmernden Horizont immer näher kommt, ist es Zeit, dass ich mir etwas Indisches aus der prall gefüllten Speisekarte bringen lasse. Während mir die kulinarischen Köstlichkeiten den Gaumen beglücken, werde ich Zeuge eines bezaubernden Sonnenunterganges im Paradies. Ich werde das verhaltene Gefühl nicht los, dass es mir hier ganz gut gefällt. Da ich meine gehört zu haben, dass die Beachparty bis zum Morgen andauern soll, beschließe ich die Nacht hier zu verbringen und möglicherweise am Strand zu schlafen, um den Sonnenaufgang zu genießen. Anschließend würde ich mit dem Scooter zurück ins Hostel brausen. Der Plan sollte leider nicht ganz aufgehen.


Nachdem ich mich mit meinen Zimmerkollegen im Hostel besprochen habe, wollen wir zunächst alle gemeinsam zu einer Beachparty und anschließend unsere verschiedenen Partys aufsuchen. Mit meinem Roller breche ich auf, während die Anderen mit dem Taxi fahren. Ich fahre etwas weiter, um mein Gefährt bereits bei der Poolparty zu parken. Anschließend mache ich mich zu Fuß auf den Weg zur Beachparty. Die ist zwar nur 800 Meter entfernt, doch ich muss die Straße entlang gehen und die führt ausschließlich bergauf. Als ich, natürlich hauptsächlich(!) ob des Klimas, ziemlich erschöpft oben ankomme, warten die anderen bereits auf mich um mir mitzuteilen, dass die Party noch nicht begonnen hat. Also geht es für mich den ganzen Weg wieder zurück und noch etwas weiter. Wir beschließen nämlich zum Strand zu gehen. Auf dem Weg entlang der Straße überholt uns ein völlig überfülltes Taxi. Auf der kleinen Einstiegsstufe, an der auch die Rücklichter befestigt sind, stehen bereits drei junge Männer und halten sich am Dach des umgebauten Minitransporters fest. Zwar rast die Maschine rasant an uns vorbei, doch ich bin mir sicher, einen der drei erkannt zu haben. Das war Dror. Ein Israeli, den ich zusammen mit einer Gruppe Deutscher in Bangkok kennengelernt habe. Zwar wusste ich, dass sie auch auf einer der Inseln unterwegs sein müssten, doch dass ich sie hier sehe, überrascht mich doch freudig. 
Als wir am Strand sind, nehme ich mir vor nach ihnen Ausschau zu halten. Keine 30 Sekunden dauert es, bis ich sie finde. Unglaublich! Mit der großen Gruppe beschließen wir nach Eden aufzubrechen. Eden ist ein kleiner Teil der Insel, der nur mit dem Taxiboot zu erreichen ist. Ich verfolge dabei noch immer den Plan, im Anschluss die Poolparty aufzusuchen. Mit dem Boot fahren wir für 150 Baht nach Eden und schon allein die Fahrt ist das Geld wert. Ich habe zu diesem Zeitpunkt bereits einiges über die Drogenexzesse an diesem Ort gehört und bin gespannt, was mich erwartet. Wir kommen am Strand an und steigen aus dem kleinen Boot ins Knietiefe Nass. Zwischen großen Felsen gehen wir einen Weg auf Holzbrettern entlang, den man als irgendetwas zwischen einer Brücke und einem Steg beschreiben könnte. Links und rechts des Weges haben es sich einige Leute gemütlich gemacht und genießen den Anblick der Sterne oder einfach nur ihren Rausch. Wir biegen um den nächsten größeren Felsen, an dessen Fuße das Meerwasser emporquillt.  Man hört bereits die dumpfen Elektro-Klänge, die viele Menschen hier mit dem wilden Nachtleben Berlins assoziieren. Jeder zieht seine Schuhe aus, bevor er die auf den Felsen errichtete Holzkonstruktion betritt, auf der sich ein ganzer Club unter freiem Himmel befindet. Dieser Ort versprüht seine ganz eigene Magie. Ich fühle mich an all das erinnert, was mir sonst nur aus Filmen bekannt ist, die in den 60er oder 70er Jahren spielen. Es fühlt sich an, als wäre ich zurückversetzt worden, in eine Zeit, in der ich nie war. In bunten schlabberigen Hosen tanzen Einige, als befänden sie sich in Schwerelosigkeit. Mit beiden Armen in der Luft, begleiten sie sanft die Klänge der Elektromusik. Viele dieser Leute sind bereits über 30, manche über 40. Und wenn ihr zweiwöchiger Urlaub an diesem merkwürdigen Ort beendet ist, kehren sie wieder zurück in ihre Büros, fern von bunten Schlabberhosen. Rund um die Tanzfläche liegen Polster auf dem Boden, auf denen sich man sich niederlassen kann. Dieser Ort ist befreit von jeder Hektik. Es ist, als wäre er umhüllt von einer riesigen Entspannungswolke. In Anbetracht des Geruchs, der mir aus allen Richtungen in die Nase weht, ist das wohl auch der beste Ausdruck. So begeistert ich auch von der Surrealität dieses Ortes bin, muss ich doch feststellen, dass mir das alles irgendwie zu viel ist. Außerdem möchte ich ja auch noch zur Pool Party. Als ich dort ankomme, ist die natürlich bereits beendet.