Sonntag, 27. Oktober 2013


Nachdem ich gearbeitet habe, freue ich mich darauf das West End zu erkunden und bin unheimlich neugierig, was mich heute erwarten wird. Am meisten mit Spannung erfüllt mich, nicht zu wissen auf was für eine Art von Menschen ich treffen werde. Ich fahre mit dem Zug bis nach South Brisbane. Von der Station biege ich in die nächste große Straße und gehe von hier an nur noch gerade aus, bis ich im West End ankomme. Auf meinem Weg wird mir wieder einmal klar, wie Sicherheitsfanatisch die Australier sind. Ich stehe hier vor einer elektrischen Glastür, die sich erst aufschiebt, sobald das kleine grüne Männchen auf der Ampel zu leuchten beginnt. Zwar gehe ich die ganze Zeit dieselbe Straße entlang, doch diese verändert sich eindrucksvoll mit jedem Schritt der mich dem West End näher bringt. Ich passiere die ersten Cafés, in denen Menschen mit volltätowierten Armen auf kleinen Holzhockern sitzen. Auch die Gesichtsbehaarung der Männer scheint zuzunehmen. Mittlerweile bin ich nur noch umgeben von Restaurants, Bars, Cafés, kleinen Bücher- und Plattenläden oder Kunstgalerien. Hätte ich diesen Ort früher entdeckt, würde ich nun bestimmt in einem dieser Läden arbeiten und jeden Tag in einem anderen essen, trinken oder herumstöbern. Ich nehme mir vor in der nächsten Großstadt Ausschau zu halten, nach dieser Art von Orten. Ich gehe schließlich weiter bis zur Adresse, die mir Caroline geschickt hat. Die Tür steht offen. Ich traue mich allerdings nicht, einfach hineinzuspazieren. Noch immer habe ich keinen blassen Schimmer was mich hinter dieser Türschwelle erwarten wird. Immer wieder muss ich an einen Film zurückdenken, den ich mit Luisa zusammen im Kino gesehen habe. Ich setze mich auf den Bordstein und warte bis Caroline kommt. Fasziniert betrachte ich die Häuser. Beinahe ausschließlich aus Holz errichtet, stehen die etwas heruntergekommenen  Bauten auf etwa zwei Meter hohen Pfeilern, unter denen meist ein Auto geparkt steht. Die Treppe, die hinauf zum Eingang führt ähnelt bei diesen Häusern immer einem kleinen Pfad zur Hintertür. Caroline kommt mir auf einem Fahrrad entgegen gefahren. Sie passt hier voll rein ­­– eine hübsche Blondine mit einer so authentischen Nerdbrille, dass sie auf den ersten Blick wie ein eher reizloses Mauerblümchen erscheint. Ich rede also nicht von der typischen Ray Benn Brille, die mittlerweile jeder trägt, sondern von einem Gestell, das aussieht als hätte sie es aus einem dicken Stück silbernem Draht selber zusammengebogen. Caroline schiebt ihr echt cooles altes Rennrad durch die Gartentür und stellt es in den Eingangsflur, weil man ihr das Schloss stiehl. Ich kann es gar nicht glauben, als sie mir berichtet, dass sie das Rad zusammen mit einigen anderen im Keller ihrer Wohnung gefunden hätte. Wir betreten das Haus. Ich bemerke, dass wir nicht in einem normalen Wohnhaus sind, kann aber auch nicht zuordnen, worin genau wir uns befinden. Wir gehen durch einen Gemeinschaftsraum in die Küche. Es ist nicht besonders viel los. Ein kleiner Junge schneidet Tomaten und eine junge Frau zerkleinert Zwiebeln. Caroline begrüßt einen jungen Mann mit kurzen Rastazöpfen.  Er scheint sich hier um alles zu kümmern. Die anderen Beiden scheint Caroline selber nicht zu kennen. Trotzdem ist die Atmosphäre total vertraut und entspannt. Nach einem kurzen Blick in die Tüten, die gefüllt sind mit Gemüse, das aus den riesigen Müllcontainern der großen Supermarktketten geerntet wurde,  wird beschlossen, was gekocht wird. Ich beginne Pilze zu schneiden, denn die wurden scheinbar in Massen entsorgt. Als die junge Frau Musik anschaltet, fühle ich mich richtig wohl. Es sieht aus, als würden wir uns alle schon seit Jahren kennen und jede Woche zusammenkommen, um zu kochen. Dabei ist es gerade mal drei Tage her, dass ich die Person die mich hier hin mitgebracht hat zum ersten Mal gesehen habe. Ich gehe raus, auf die andere Straßenseite, um Rosmarin zu holen, der hier direkt am Straßenrand, neben dem Gartenzaun des Nachbarn, wächst. All das fertige Essen stellen wir auf einem umgedrehten Klapptisch, der vor dem Haus steht. Dazu kommen gespendete Brote vom Vortag. Zu fünft tragen wir das Essen die Straße hinunter, vorbei an einer etwas dreißigköpfigen Gruppe älterer Menschen, die mit ihrer Ukulele in der Hand in einem Café sitzen. Das Café, das vielleicht doch eher eine Bar ist befindet sich zur Hälfte auf der Straße und obgleich es zu einem Teil unter einer Plane errichtet wurde, sieht es unheimlich einladend aus. In Stuhlreihen sitzen die 35- bis 65-Jährigen beisammen und starren auf eine Leinwand. Der Beamer wirft Noten darauf, während eine Frau mit Mikrofon an der Seite steht, Anweisungen gibt und singt. Irgendwie muss ich ein wenig lachen. Und auch der Junge, der neben mir den Tisch trägt schmunzelt, ein wenig, obwohl ich glaube, dass er den Anblick bereits gewohnt ist. Den Tisch mit all dem frisch gekochten Essen stellen wir an der Hauptstraße, des West Ends auf. Es ist die Straße mit all den Cafés, die ich vorhin entlang gegangen bin. Wir selber eröffnen das Mal und nehmen uns reichlich von dem gekochten Müll. Wir sitzen auf dem Boden direkt gegenüber den öffentlichen Toiletten. Ich muss sagen, dass mir das vegane Recycledinner wirklich mundet. Mit ein wenig Salz, das selbstverständlich mitgenommen wurde, schmeckt das ganze echt gut. Nach einiger Zeit kommen noch einige Freunde der Gruppe und gesellen sich dazu. Kleine Gespräche beginnen und jeder lernt ein wenig mehr über den anderen kennen. Alles im allen wird mir gesagt, dass es ein sehr ruhiger Freitag war. Heute seien nur sehr wenige Leute gekommen. Nach eineinhalb Stunden gemeinsamen Essens und Erzählens packen wir alles ein und bringen die Sachen wieder zurück in das Haus, von dem ich noch immer nicht genau weiß, was es eigentlich ist. Was ich aber weiß ist, dass die Klospühlung hier eine intelligente ist. So steht es zumindest auf dem Schild neben mir, das mich darauf hinweist, hier würden nur vier Liter pro Spülung, statt der üblichen 6 verbraucht. Ich verabschiede mich freundlich und mache mich gut genährt auf den Weg zu Torsten und Miyao, um meine Kulturtasche von dort zu holen. Auf dem Weg raste ich in einem Bottleshop und kaufe mir einen Sechserträger Beck’s, der mit 16$ hier noch zu den günstigen gehört. Oettinger wird hier übrigens als deutsches Premiumbier verkauft und ist deutlich teurer. Ähnliches ist mir zuvor schon in Malaysia aufgefallen.

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